Medien

Chaos in München – die ARD war dabei

Die Krise der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung

Entgegen so mancher Meinung wird der Informations- und Bildungsauftrag von den heuer Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durchaus ernst genommen. Wie ernst, das konnte man am gestrigen Abend zu Beispiel in der ARD in aller Ausführlichkeit beobachten. Denn das erwartete Abendprogramm fiel wie immer wenn es irgendwo brennt oder jemand meint, es könnte irgendwo brennen, dem obligatorischen Brennpunkt zum Opfer.

München im Chaos und wir saßen in der ersten Reihe ob wir nun wollten oder nicht. Das gleiche Prozedere, geübt in der Vergangenheit bei ähnlichen Gelegenheiten wie erst jüngst beim Putschversuch in der Türkei, wurde abgespult.
Im Minutentakt wurden bedauernswerte Journalisten, die sich zufällig in der Nähe des Tatortes aufhielten, und sogar unschuldige Bürger, vor die Kameras und Mikrofone gezerrt, um dort zu bestätigen, was alle bereits durch mehrfache Wiederholung wußten, nämlich nichts. Dicke Bretter bohren ist auch nicht ersprießlich, führt aber doch irgendwann zum gewünschten Erfolg. Den sogenannten Live-Interviews vor Ort war eine solche Perspektive nicht gegönnt. Wo es keine Fakten gibt, dort hat auch der neugierigste Skandalreporter sein Recht verloren. Gestern Abend hatte ich den Eindruck, dass dies die Berichterstatter bei RTL besser verstanden hatten.
Mein besonderes Mitgefühl gilt dem Korrespondenten der ARD, der binnen weniger Minuten gleich zweimal ins Licht der uninformierten Öffentlichkeit treten durfte, um das geneigte Publikum nach wenigen Sekunden genauso uninformiert zurück zu lassen. Sicher har der betroffene Reporter auch schon andere Zeiten erlebt und wird sich ausgiebig für seinen Sender geschämt haben.
Immer wieder finden die öffentlich-rechtlichen Gelegenheiten, um über die Skandalpresse und den Voyeurismus der privaten Sender herzufallen. Dabei haben sie inzwischen hinreichend Anlässe angehäuft, um sich Ihre eigene Leistung mal kritisch zu beäugen und sich zu fragen, ob Spekulationen im luftleeren Raum und die peinliche Befragung von schnell aus dem Hut gezauberten Experten, die auch nicht aus dem Kaffeesatz lesen können, dem eigenen Anspruch auf den Qualitätsjournalismus schlechthin gerecht werden.
Wenn die „Berichterstattung“ gestern Abend stilprägend für den Journalismus der kommenden Jahre sein soll, dann gnade uns Gott.
Insgesamt 10 Opfer hat dieser Amoklauf eines erst 18jährigen Deutsch-Iraners (den Attentäter eingeschlossen) gekostet und eine Reihe von Verletzten dazu. Auch Ihnen ist die ARD in keinster Weise gerecht geworden. Vielleicht sollte die ARD über die Abwerbung des Sprechers der Münchnern Polizei, Marcus da Gloria Martins, nachdenken. Mit seiner sachlich und unaufgeregt-souveränen Art hat er gezeigt, wie hochwertige Berichterstattung aussehen kann.
Und wie immer bei solchen Gelegenheiten frage ich mich, weshalb ich eigentlich jeden Monat 17,98 € Rundfunkbeitrag zahle.

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