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Der VGH Baden-Württemberg zur Umsetzung von Lärmaktionsplänen

In meinem Beitrag vom 13.01.2019 Aufhebungsanordnungdes Straßenverkehrsamtes Strausberg hatte ich weitere Details zum Urteil des VGH Baden-Württemberg zur Umsetzung von Lärmaktionsplänen angekündigt. Nachstehend finden Sie weitere Informationen zu dieser wichtigen Rechtsfrage.

Die Grundsatzfrage

Muss eine Straßenverkehrsbehörde als Organ eines Landkreises die in einem Lärmaktionsplan von einer Kommune festgelegten Maßnahmen hinsichtlich der Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen ohne eigenes Ermessen umsetzen oder nicht?

Diese grundsätzliche Frage hat sicher nicht nur unsere Gemeinde seit Jahren beschäftigt und die Umsetzung wirksamer Maßnahmen gegen die Lärmbelästigung der Bürger verhindert.

Rechtsstreitigkeiten statt Lärmschutz

Unterschiedliche Einstellungen zur Frage der Anordnung von Geschwindigkeitslimits haben in der Vergangenheit viel zu oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Behörden und Kommunen geführt. Sie wurden letztlich auf dem Rücken der Bürger ausgetragen und von diesen über die Steuern auch noch bezahlt. Dabei sind die Lärmaktionspläne durchaus nicht zur Erhöhung der Auslastung der Mitarbeiter in den Kommunen eingeführt worden, sondern wurden zwecks Umsetzung der EU-Richtlinie 2002/49 in nationales Recht im § 47a-7 BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz) als Pflichtaufgabe der Gemeinden definiert. Weitere Details zu den entsprechenden Regelungen findet man in der Strategie der Lärmaktionsplanungdes Landes Brandenburg vom 27.03.2017.

Es gibt einen Hoffnungsschimmer

Eine Lösung dieser Problematik ist also dringend geboten, um unsinnige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und die Bürger vor den Langzeitfolgen ständiger Lärmbelästigung zu schützen.
Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württembergs AZ 10 S 2449/17 vom 28.08.2018 sind wir auf diesem Weg einen entscheidenden Schritt vorangekommen.

Der Hintergrund des Verfahrens

Hintergrund der Entscheidung der Mannheimer Richter ist ein Beschluss der Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen aus dem Jahr 2015, für eine auf Ihrem Ortsgebiet verlaufende Landesstraße eine zeitlich befristete Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen. Das im Lärmaktionsplan der Gemeinde festgelegte nächtliche Geschwindigkeitslimit wurde vom Land Baden-Württemberg unter Hinweis auf fehlende Zuständigkeit der Gemeinde nicht umgesetzt. Dagegen hatte die Gemeinde geklagt. Ein Fall wie er leider immer wieder auftritt. Auch in der Gemeinde Rüdersdorf gibt es einen Lärmaktionsplan. Und auch dieser sieht Geschwindigkeitsbeschränkungen auf mehreren Straßen vor. Und auch diese Festlegungen werden nicht oder nicht vollständig vom zuständigen Amt umgesetzt. Meist geht es bei der Ablehnung um Zuständigkeiten oder Formalismen, nie um die besten Maßnahmen zum Schutz der Bürger.

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes könnte das Ende solcher Rechtsstreitigkeiten bedeuten.

Das Land sei für die Landesstraße gar nicht zuständig, so hatte das Land argumentiert.

So urteilte der VGH

Dem widersprach nun der VGH Mannheim. Das Land sei an die Vorgaben der Gemeinde gebunden. Den Gemeinden stehe nach der Verfassung eine Selbstverwaltungsgarantie zu. Setze das Land rechtmäßige Lärmminderungsmaßnahmen nicht um, werde die Planungshoheit der Gemeinde verletzt.

Der Lärmminderungsplan solle den Umgebungslärm und damit auch den Verkehrslärm bewältigen. Dies sei eine Sache der örtlichen Gemeinschaft, urteilte der VGH. Daher sei auch die Gemeinde zuständig. Nur wenn die Festlegungen im Lärmaktionsplan nicht ordnungsgemäß erfolgt oder diese unverhältnismäßig seien, müsse das Land diese nicht beachten.(Quelle: © www.juragentur.de)

Die Konsequenzen

Damit verlieren die Behörden das Recht zu urteilen, ob eine solche Maßnahme sachlich geboten und notwendig sei. Ihr bisher weidlich zum Schaden der Gemeinden ausgenutzter Ermessenspielraum entfällt. Souveränität und Handlungsfähigkeit der Gemeinden werden wiederhergestellt.

Ein Restrisiko bleibt dennoch

Dabei gibt es allerdings noch einen Wermutstropfen.
 Die Behörden bleiben für die Ordnungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen zuständig. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, den Handlungsspielraum der Gemeinden einzuengen. Ordnungsmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme sind sehr subjektive Kriterien und werden sicher bei verschiedenen Akteuren sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. Die Streitereien könnten also auf neuer Basis weiter gehen.

Wir werden sehen.

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