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Digitalisierungspleite in der Energiewirtschaft

Eine neue Digitalisierungspleite in der Energiewirtschaft ist durch den Zwangs-Rollout der digitalen Stromzähler (Smartmeter) zu verzeichnen.

Ein digitaler Stromzähler überfordert Deutschland

Die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft schreitet in aller Welt mit Siebenmeilenstiefeln voran, außer im ehemaligen Hochtechnologieland Deutschland.
Jüngstes Beispiel für das Versagen der Regierung und ihrer Behörden ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen zu den digitalen Stromzählern (in der Behördensprache Messsystem genannt), deren Installation seit einem Jahr Pflicht ist bzw. nach dem Urteil war.

Der Stein des Anstoßes

Begründet wird die Aufhebung der Installationspflicht mit einem Gesetzesverstoß durch das BSI bei der Zertifizierung der 4 auf dem Markt erhältlichen Geräte, genannt Smart Meter Gateway (SMGW).

Im Messstellenbetriebsgesetz ist Interoperabilität vorgeschrieben. Das heißt nichts anderes, als dass die Geräte kommunizieren können müssen. Sie müssen eine Anbindung an Erzeugungsanlagen, Anzeigeeinheiten und weiteren lokalen Systemen ermöglichen. Dazu zählt die Anzeige der Verbrauchswerte für den Endkunden, die Realisierung von Prepaid-Tarifen oder auch die Nutzung von Zeittarifen wie die Nutzung von billigen Nachstromtarifen. Auch eine Fernsteuerung von Verbrauchern und Stromerzeugern ist vorgeschrieben. Damit wird zum Beispiel die Einrichtung von Ladestellen für Elektro-Autos ermöglicht. Da die auf dem Markt befindlichen Geräte diese Funktionen nicht bieten, hat das BSI einen Basis-Standard definiert, der diese Funktionen zunächst ausklammert. 

Damit ist es nun vorbei, wenn das Urteil Bestand hat. Die Messstellenbetreiber und auch die Kunden müssen die Installation der Smartmeter nicht mehr dulden und auch keine Kosten dafür tragen. 

Alles bleibt beim Alten

Ein Grund zur Freude ist das freilich nicht. Es Zeit wieder einmal, dass Deutschland die Bedeutung der Digitalisierung noch nicht erkannt und Ihr die nötige Aufmerksamkeit schenkt. Die Stromanbieter und Verbraucher müssen auf neue kostensparende Tarife verzichten und müssen wie zu Großmutterszeiten ihre selbst abgelesenen Zählerstände an die Energieunternehmen melden. Daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern. Grund dafür ist erneut das Versagen der Börden und des Wirtschaftsministeriums.
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE ) stellt dazu fest, dass für die fehlenden Funktionen der Smartmeter nicht einmal die Standardisierungsprozesse zwischen dem BSI und dem Bundeswirtschaftsministerium angeschlossen sind. 
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erwartet daher, „dass die Behörden und der Gesetzgeber nun schnell konkrete Schritte einleiten, um Rechtssicherheit für die am Roll-out beteiligten Unternehmen zu erreichen. Die Digitalisierung der Energiewende sollte nicht unnötig lange ausgebremst werden“.

BSI und Wirtschaftsministerium bremsen

Das BSI sieht sich nicht im Zugzwang, da die Entscheidung des OVG Münster eine vorläufige Entscheidung sei und die Entscheidung in der Hauptsache durch das VG Köln noch aussteht.

Dort hofft man die Bedenken des OVG entkräften zu können und damit den Einbau nutzloser Geräte fortsetzen zu können.  Völlig daneben ist auch die Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums. 

„Der Rollout intelligenter und sicherer Messsysteme ist und bleibt ein Kernbestandteil der Energiewende. Dies wird auch von dem OVG Münster nicht in Frage gestellt. Es geht zukünftig darum, Verfahren weiter zu optimieren und gute Lösungen für die Energiewende zu finden.“

Ich als betroffener Verbraucher bin eher der Meinung, dass vor weiteren Optimierungsschritten und guten Lösungen erstmal die bestehenden gesetzlichen Regelungen durch- und umgesetzt werden sollten, anstatt weiter auf die nutzlosen Festlegungen des BSI wie dem Basis-Standard zu bestehen.

Alternativen sind auf dem Markt vorhanden

Der BNE kritisiert den Zertifizierungsprozess.

Der bisherige Zertifizierungsprozess sei ein „strukturell überfrachtetes Desaster – er ist zeitraubend und erstickt Innovationen“. Es seien bereits nicht vom BSI-zertifizierte Messsysteme auf dem Markt, „die vergleichbare Anforderungen zu Sicherheit, Eichrecht und Datenschutz erfüllen und den notwendigen Standards entsprechen. Diese Messsysteme bringen schon jetzt jene Funktionen und Messwerte in der Auflösung mit, die für aktuelle und zukünftige Geschäftsmodelle notwendig sind“.

Angesichts dieser Feststellungen stellt sich natürlich die Frage, weshalb diese Geräte nicht längst zertifiziert worden sind und eingebaut werden.

Eigene Erfahrungen

Ich selbst bin als Mieter gezwungenermaßen Nutzer eines Smart-Meters. Als technikaffiner Bürger des 21.Jahrhundert hatte ich große Erwartungen und wurde völlig enttäuscht. Der Zähler hat statt der bisherigen analogen Anzeige eine digitale.

Nach Eingabe einer PIN kann die Historie des Stromverbrauchs rückwirkend für 2 Jahre angezeigt werden. Dies betrifft die Verbräuche pro Tag, Woche, Monat und einem Jahr. Und das war`s dann auch. Weitere Funktionen sind nur nach Einbau eines zertifizierten Kommunikationsadapters möglich. Dies ist jedoch kein Standard.

Hier können Sie die Beschreibung eines solchen Zählers einsehen.

Die Digitalisierung der Energiewirtschaft wird kommen. Nur weiß niemand wann.

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